Wie war es so für Dich persönlich während des Buchprojektes? Hattest Du manchmal Zweifel, ob das alles klappt? Wie lange ging das Projekt?
Das Projekt entstand ja aus einem Zufall heraus. Bei meiner Tätigkeit in der Notaufnahme lernte ich die Ehefrau meines Mitautors Fabian Marcher als Patientin kennen und kam mit ihr während der Behandlung ins Gespräch. Dabei erzählte sie, dass sie und ihr Ehemann als freie Autoren arbeiten. Wie es so kommt, sprach ich augenzwinkernd und ohne Bedacht aus: “Da hätte ich einige aufregende und buchfüllende Geschichten aus meinem Berufsleben zu erzählen!“ Die „Strafe“ folgte auf den Fuß: Wenige Zeit später kontaktierte mich Fabian und die Dinge nahmen ihren Lauf. Über den Zeitraum von eineinhalb Jahren, angefangen im März 2019, entstand so ein Erfahrungsbericht aus Sicht eines Pflegers und aus der eines Laien.
Zunächst hatten wir uns zu Hause am Küchentisch getroffen und ich erzählte ihm meine Erlebnisse aus der Notaufnahme. Doch dabei stellten wir schnell fest, dass das zu nüchtern und neutral ist und es ihm schwerfällt, sich in unseren Berufsalltag hineinzuversetzen. Wie willst du etwas beschreiben, wenn du es nicht gesehen und miterlebt hast? Aber genau das wollten wir ja unserer Leserschaft vermitteln. Damit Fabian die Atmosphäre am Arbeitsplatz besser spüren konnte und auch allmählich wusste, wovon ich zum Beispiel beim Monitoring, EKG-Schreiben oder der Schockraumvorbereitung spreche, musste er mit in die Notaufnahme gehen. In Abstimmung mit der Geschäftsleitung, Pflegedirektion sowie unserem Chefarzt Dr. Bayeff-Filloff und meinem Team konnte mir mein Kompagnon während einer mehrwöchigen Hospitation in der ZNA als „Schatten“ mit seinem schwarzen Notizbuch folgen und wurde alsbald ein Teil unseres Teams.
Das Thema Corona wird im Buch in Auszügen behandelt. War dadurch das Projekt gefährdet oder verzögert?
Mit unserem Projekt starteten wir schon letztes Jahr im März. Um dem Buch den letzten Feinschliff zu geben, traf ich mich Ende Februar mit Fabian und seiner Frau in Lazise, wo die beiden die Wintermonate verbringen. Das war bereits der Zeitpunkt, als sich die Pandemie auch in Italien rasant ausbreitete, und wir realisierten, dass wir kein Buch über die Notaufnahme schreiben können, in dem nicht auch Corona seinen Platz finden würde. Der Verlag räumte uns daraufhin zusätzliche eineinhalb Monate mehr bis zum Abgabedatum ein. Wieder zu Hause an meinem Arbeitsplatz tauschte ich mich täglich mit Fabian, der den italienischen Lockdown vor Ort miterlebte, aus. Bei seinen Erzählungen, wie beispielsweise über die Lastwagen-Abtransporte der vielen Toten, kamen uns bei den Vorbereitungsmaßnahmen im Krankenhaus schon Zweifel, ob sie ausreichen würden, um die Patientenversorgung gut in den Griff zu bekommen.
Unser Buchprojekt wurde durch Corona also nicht gefährdet. Im Gegenteil, ich denke, dass genau diese Erfahrungsberichte das Lesen besonders spannend machen.
Fabian als „Praktikanten“ Einblicke in Deine Arbeit zu gewähren, wie war das für Dich, Fabian und das Team?
Es war total einfach, weil Fabian nie im Weg umging. Er war wie ein Schatten und hat sich dezent im Hintergrund gehalten. Auch als ich ihn meinem Team vorstellte und erklärte, dass er nicht nur mich jetzt eine Zeitlang begleitet, sondern sich ebenso an die Sichtung setzt, Kollegen bei deren Arbeit über die Schulter schaut und mit ihnen auch Interviews führt, war die Resonanz immer positiv. Eigentlich war es für alle ein Selbstläufer, denn wer uns Pflegende, die täglich mit Schülern, Praktikanten und Azubis zu tun haben, kennt, weiß, dass wir jedem Fremden gegenüber offen sind. Fabian hat sich bei uns sehr wohl gefühlt. Als er sich nach seinem letzten Herbstfest-Nachtdienst verabschiedete, meinte er auf dem Nachhauseweg: „So Mike, das war´s jetzt. Nun verlasse ich wieder den „Kosmos Notaufnahme“. Zwar mit einem lachenden Auge, weil der Schichtdienst wegfällt, der für mich als freier Autor schon eine große Umstellung war, aber auch mit einem weinenden Auge. Die äußerst spannende Erfahrung mit euch möchte ich nicht missen und du wirst mir mit deinem Team sicher fehlen.“
Wie erlebst Du die mediale Aufmerksamkeit bezüglich der Buchpräsentation? Der Post über das Buch auf unserem Instagram-Account erreichte 873 Konten und wurde über Impressionen fast 1.300 mal wahrgenommen, 144 mal geliked und 7 mal weitergeleitet, auf Facebook erreichte der Beitrag fast 9.000 Personen, wurde 108 mal geliked und 57 mal geteilt.
Als der MDR bei uns in der Notaufnahme zu Dreharbeiten war, nahm das unsere Klinik für einen Post auf Instagram und Facebook zum Anlass. Das hat mich sehr gefreut, denn es ist ja auch eine Art der Anerkennung und Wertschätzung, die man damit als Mitarbeiter erfährt. Dass das dann gleich so medial ging und von so vielen Menschen gesehen wurde, war der Hammer! Eine bessere Werbung kann man sich gar nicht wünschen, das muss man ganz ehrlich sagen. Ich habe dann selbst einen Instagram-Account speziell für das Buch erstellt, in dem ich zum Beispiel meine Fernsehauftritte poste oder von einer Buchhandlung, die ein Schaufenster extra für mich eingerichtet hat, berichte.
Wie war es für Dich in TV und Radio zu sein? Eine andere Welt, oder? Du bist z. B. im Fernsehen total souverän rübergekommen. Warst Du gar nicht nervös?
Als wir unser Buchprojekt starteten, war uns klar, dass wir mit unserem Thema natürlich möglichst viele Interessierte erreichen möchten. Unsere Zielsetzung war also, unbedingt ins Fernsehen zu kommen. Und tatsächlich war es dann relativ schnell soweit: ein Auftritt im MDR-Studio Leipzig, genau zum Veröffentlichungsdatum des Buches am 6. August. Das ist schon eine sehr spannende Erfahrung, wenn du in einem professionellen Fernsehstudio zunächst im Gästezimmer betreut wirst und die Moderatorin mit dir vorab ein Gespräch führt, bei dem es auch um belanglose Dinge geht. Anschließend ziehst du dich um, kommst in die Maske und wirst in ein Aufnahmestudio mit unzähligen Scheinwerfern geführt. Dort arbeiten so zwischen zehn bis fünfzehn Personen – vom Kameramann über den Aufnahmeleiter bis hin zum Tontechniker. Das Kuriose war aber, dass, sobald das Interview begann, ich das Fernsehteam völlig ausblenden konnte. Ich saß mit der Moderatorin auf der Couch und führte ein angenehmes Gespräch. Das war wirklich unglaublich. Allerdings hatten Fabian und ich bereits bei der Hinfahrt erstaunt festgestellt, dass uns das echte Lampenfieber fehlte – wohl weil wir so glücklich waren, unser Ziel „Fernsehauftritt“ erreicht zu haben.
Meine einzige Sorge war nun, da mehrere Auftritte folgten, dass ich mir schnell ein paar neue Hemden zulegen wollte und der Haar- und Bartschnitt perfekt sein musste. Auf mein Äußeres lege ich gerne Wert. (schmunzelt und streicht sich über den Bart)
Eine ganz andere Erfahrung war die Radio-Aufzeichnung für „Neugierig nachgefragt“ vom WDR 5. Dabei hatte ich kein direktes Gegenüber, sondern saß mit Mikro und Kopfhörern in einem Rosenheimer Studio und sprach mit meinem Interviewpartner in Köln. Und für die Kultursendung auf Bayern 2 war es wiederum so, dass mich der Moderator mit seinem Aufnahmegerät in Rosenheim besuchte. Wir unterhielten uns über eine Stunde und ich war echt begeistert, mit welchem Kunstgriff es David Friedmann anschließend gelang, den Bericht auf die vorgegebenen fünf Minuten zu kürzen und dabei die Message meines Buches so exakt treffend herüberzubringen. Das war wirklich ein ganz tolles Erlebnis, dieses Interview!
Auch in den Fernsehbeiträgen kommt sehr gut zur Geltung, dass du deinen Beruf liebst und das Positive an der Pflegearbeit vermitteln möchtest.
Ja, denn anders funktioniert es auch nicht. Ich bin überzeugt, dass man seine Arbeit nur gut ausüben kann, wenn man das tut, was man gerne macht. Sonst haut´s nicht hin. Das ist in jedem Beruf so.
Stimmt es, dass Du nicht nur seit über 20 Jahren als Pfleger, sondern ebenso lang für die RoMed Kliniken tätig bist? Hattest Du dabei auch mal den Wunsch nach Veränderung?
Da bin ich ein echter Klinik-Dinosaurier! (lacht) Es fing 1998 mit meiner Ausbildung an, die ich hier in der Berufsfachschule für Pflege absolviert habe. Seit 2008 arbeite ich in der Zentralen Notaufnahme und ich übernahm dort 2010 die stellvertretende pflegerische Leitung. Mit RoMed verbindet mich aber noch viel mehr. Das zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben, angefangen bei meiner Geburt im Klinikum Rosenheim. Später als kleines Kind holte ich immer wieder mal mit meinem Vater meine Mutter, die im Haus in der Radiologie arbeitete, nach Dienstschluss ab. Ich habe hier meine Frau Diana, die ebenso Pflegerin ist, kennengelernt, und unsere drei Kinder kamen im Klinikum zur Welt. Auch eine schwere Erkrankung im engsten Familienkreis wurde hier erfolgreich behandelt. Das sind ja alles Meilensteine im Leben, die einen prägen.
Natürlich gibt es im Berufsalltag auch Tage, insbesondere jetzt mit Corona, an denen man sich fragt: „Was mache ich hier eigentlich?“. Wenn der Patientenansturm in der Notaufnahme nicht abreißt und man nicht weiß, wie man das alles bewältigen soll. Dann stelle ich mir manchmal vor, wie es denn jetzt zum Beispiel im Auto eines mobilen Pflegedienstes sein könnte, und dann ist mir wieder ganz schnell klar: Das wäre für mich definitiv viel zu langweilig.
Was wünschst Du Dir, dass die Menschen „mitnehmen“, wenn sie das Buch gelesen haben?
Das Buch hat ja mehrere Aspekte, es erklärt die pflegerischen Tätigkeiten und die Notaufnahme an sich. Es erzählt von den Menschen, die dort mit Leidenschaft 365 Tage im Jahr arbeiten, um den Kranken und Verletzten zu helfen. Dass genau das wahrgenommen wird, ist mir sehr wichtig. Ich möchte, dass wir Pflegekräfte mehr Gehör und Verständnis finden, insbesondere jetzt, wo Corona allen von uns viel abverlangt. Darum haben wir unser Buch auch pauschal gehalten und nicht das Klinikum namentlich darin erwähnt. Alles kann genau so in jeder Notaufnahme geschehen. Außerdem soll das Thema Patientenverfügung, dem wir ein Kapitel gewidmet haben, mehr Aufmerksamkeit bekommen und dazu anregen, dass sich der Leser gemeinsam mit seiner Familie oder den Angehörigen damit auseinandersetzt. Und zuletzt ist es mir ein großes Anliegen, dass man beim Lesen meines Buches trotz der ganzen notwendigen Diskussion über Pflegenotstand und Arbeitsbedingungen meine Freude und Begeisterung am Pflegeberuf spürt.
Speziell jetzt auch in der Zentralen Notaufnahme?
Ja, klar! Vorausgesetzt man liebt die Abwechslung und Herausforderung. Frisch examinierte Absolventen, aber auch Kollegen, die bereits länger im Beruf sind, haben übrigens die Möglichkeit, die Fachweiterbildungen für Notfallpflege sowie für Anästhesie und Intensivmedizin am Akad. Institut für Gesundheits- und Sozialberufe der RoMed Kliniken abzuschließen.
Also ich für mich bin jetzt exakt da, wo ich hingehöre, und wüsste nicht, wo ich sonst arbeiten möchte. Die Notaufnahme ist für mich perfekt. Man weiß nie, was täglich auf einen zukommen wird, und wer das und die enge Teamarbeit in der ZNA mag, für den ist es absolut das Richtige!
Vielen Dank für das interessante Gespräch und die Einblicke, die Du uns gegeben hast! Wir wünschen Dir natürlich weiterhin gute Verkaufszahlen und eine große Leserschaft.
„Weil es ohne uns nicht geht. Akutes aus der Notaufnahme – Ein Krankenpfleger erzählt“ von Michael Steidl und Fabian Marcher ist im Verlag Eden Books erschienen und im Fach- und Online-Handel erhältlich.